Normal;heading 1; Geschichte des Tarot Lange Zeit wurde unter Tarot-Forschern das Jahr 1392 als das Entstehungsjahr des Tarot angenommen. Zwei Dinge waren für diese Annahme verantwortlich: Zum einen befinden sich in der Bibliothèque Nationale in Paris siebzehn illuminierte Spielkarten, die irgendwann zwischen dem Ende des 14. und dem Ende des 15. Jahrhunderts entstanden sind. Einige dieser Karten sind eindeutig Tarottrümpfe. Zum anderen ist ein Rechnungsbuch des Schatzmeisters von Karl VI. erhalten, in dem eine Zahlung an einen Maler namens Jacquemin Gringonneur für "drei vergoldete und verzierte Kartenspiele" verzeichnet ist. Der Eintrag stammt aus dem Jahr 1392. Nun nahmen Tarot-Forscher an, dass es sich bei den Karten in der Bibliothèque Nationale um eben diese Gringonneur-Karten handelt. Gringonneur wurde so für viele zum Erfinder des Tarot. Dagegen spricht jedoch: Das genaue Entstehungsjahr der historischen Pariser Karten ist nicht mehr auszumachen. Die bloße Existenz einer Zahlung an Gringonneur für Spielkarten beweist lediglich, dass dieser Spielkarten malte und sie dem Hof Karl VI. in Rechnung stellte, nicht aber, dass es sich bei den im Rechnungsbuch erwähnten Karten um die handelt, die in der Bibliothèque Nationale aufbewahrt werden. Dutzende Maler vor ihm könnten bereits Tarottrümpfe gemalt haben und ihre Karten sind nur nicht mehr erhalten. Der erste gesicherte Nachweis über die Existenz von Tarotkarten stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wiederum aus Italien. In den Jahren von 1420 bis 1450 bestellte der Herzog von Mailand, Filipo Maria Visconti, mehrere Spielkarten, von denen noch 250 erhalten sind, die vermutlich aus 15 verschiedenen Kartendecks stammen. Diese Karten werden heute als Visconti-Spiele bezeichnet. Das bekannteste davon ist der Visconti-Sforza-Tarot, der mit 74 noch erhaltenen Karten der bisher älteste bekannte Tarot ist. Ende des 15. Jahrhunderts war der Tarot dann mit Sicherheit in weiten Teilen Nord-Italiens bekannt. Etwa um das Jahr 1470 entstand der Mantegna Tarot. Mit 50 Karten handelte es sich dabei nicht um einen echten Tarot im heutigen Sinn. Die Darstellung auf den Karten sollte den Weg zu Gott verdeutlichen. Die ersten Kartendecks, die heute als Minchiate von Florenz bezeichnet werden, entstanden vermutlich um das Jahr 1530 in Florenz. Dabei handelt es sich um Tarots, die aus 96 Karten bestehen: 40 Große Arkana und 56 Kleine Arkana, inkl. Hofkarten. Unter den Großen Arkana befinden sich die meisten der Großen Arkana des Tarot, sowie 12 Karten, die sich auf die 12 Tierkreiszeichen beziehen. Weitere Karten haben die vier Elemente und christliche Tugenden zum Thema. Der Visconti-Sforza Tarot, der Mantegna Tarot und die Minchiate von Florenz sind nicht die einzigen erhaltenen Tarots aus dem späten Mittelalter. Erwähnt werden muss auch noch der Sola Busca Tarot. Es entstand in etwa zur gleichen Zeit wie der Mantegna Tarot. Besonders interessant am Sola Busca Tarot ist vor allen Dingen, dass es sich dabei um den ersten historisch bekannten, voll bebilderten Tarot handelt. Hinzu kommt, dass der unbekannte Schöpfer der Karten für seine Trümpfe ganz augenscheinlich historische Personen, hauptsächlich aus dem alten Rom, zum Vorbild genommen hat. Ungeklärt ist nach wie vor die Frage nach dem Ursprung der 22 Großen Arkana. Hierüber gibt es einige Theorien. Die plausibelste davon ist diejenige, die den Ursprung der Großen Arkana in den sogenannten Trionfi (zu Deutsch: Triumpfe) sieht. Dabei handelte es sich um Triumphzüge, welche im mittelalterlichen Italien in den Städten abgehalten wurden. Die ursprüngliche Bezeichnung der Großen Arkana war, wie wir heute gesichert wissen, "Trionfi", woraus im Deutschen "Trümpfe" wurde. Zweifelhaft ist es dagegen, ob das Wort "Tarocchi" vom Sinn her wirklich das Gleiche aussagt, wie "Trionfi". Aus dem italienischen "Tarocchi" wurde dann im Französischen "Tarot" und im deutschen Sprachraum "Tarock". Natürlich basiert die Annahme, dass der Ursprung der Großen Arkana in den mittelalterlichen Triumphzügen zu suchen ist, nicht allein auf der gleichlautenden Bezeichnung für die Karten. Viel wichtiger und interessanter ist die Übereinstimmung der Darstellungen dieser Triumphzüge mit den Darstellungen auf den Karten. Auf den Wagen, die einen solchen Triumphzug bildeten, wurden allegorische Szenen und Bilder durch die Straßen der Städte gefahren, die teilweise auf mittelalterliche Vorstellungen, teilweise aber auch auf antike Mythen zurückgingen. Dargestellt wurden drei verschiedene Triumphfolgen, wobei jede Folge als stärker galt, als die vorangehende. Innerhalb einer Folge galt wieder jede einzelne Darstellung, als stärker, als die vorangehende. Die erste Folge war der Triumph der Liebe. Ihr folgte der Triumph des Todes. Als letztes kam der Triumph der Ewigkeit. Der gesamten Prozession voran fuhr ein Wagen mit der Darstellung eines Gauklers als Sinnbild für den Narrenkönig der antiken römischen Saturnalia. Jedenfalls zeigen die Bezeichnungen der einzelnen Darstellungen eine frappierende Ähnlichkeit mit den Kartenbezeichnungen der Großen Arkana des Tarot. Nur die Reihenfolge stimmt nicht völlig mit der heute üblichen überein. Die 22 Karten bilden typische mittelalterliche Metaphern ab, wie z.B. " Das Rad des Glücks " oder " Der Herrscher ". Andere stellen Tugenden dar, wie " Die Mittelmäßigkeit " oder " Die Kraft ". Andere Karten zeigen religiöse mythologische Szenen, wie " Das Gericht ", auf der die Toten zum letzten Gericht aus ihren Särgen steigen. Betrachtet man die Karten genauer, so fällt auf, dass einige Szenen, atypisch für das Mittelalter, ketzerische Darstellungen aufweisen. Übrigens, einen Nachhall der mittelalterlichen Triumphzüge kennen wir bis heute. Es handelt sich um die Karnevalsumzüge, die aus eben diesen mittelalterlichen Triumphzügen entstanden sind und die damals wie heute vor Beginn der Fastenzeit abgehalten wurden, bzw. werden. Diesen Umzügen lagen ursprünglich heidnische Gebräuche zugrunde, die, wie so viele andere auch, christianisiert wurden. Das diese Christianisierung nicht vollständig gelungen ist, zeigt nicht zuletzt auch das Vorhandensein von Elementen aus heidnischem antiken Gedankengut in den Triumphzügen des christlichen Mittelalters. In einem alten Manuskript, das auf die Zeit um 1500 datiert wird, befindet sich die Predigt eines Franziskanermönchs aus der italienischen Provinz Umbrien. In dieser Predigt wendet sich der Mönch vehement gegen Glücksspiele. Als eines dieser anzuprangernden Glücksspiele nennt er die "Trümpfe". Er bestätigt, dass die Tarottrümpfe spätestens um 1500 in Italien recht bekannt gewesen und als Glücksspiel verbreitet waren. Kehren wir zurück zu den historischen Spuren. Noch etwas, das seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder Anlass zu Kontroversen gibt, ist die richtige Reihenfolge der Großen Arkana und die Symbolik auf den einzelnen Karten. Aus dem erhaltenen historischen Material geht eindeutig hervor: Es gab, zumindest im ausgehenden Mittelalter, keine einheitliche Vorschrift in Bezug auf symbolische Darstellung und Reihenfolge der Karten. Zwar waren im Prinzip alle 22 Großen Arkana, so wie wir sie heute kennen, bereits vorhanden. Die Kartenbezeichnungen können allerdings von den heute üblichen abweichen und auch die Reihenfolge ist nicht immer mit der heutigen identisch. Auch die Satzsymbole der Hofkarten und Kleinen Arkana waren nicht immer Stäbe, Kelche, Schwerter und Scheiben. So soll es im 16. Jahrhundert ein Deck gegeben haben, welches Löwen, Pfaue, Papageien und Affen als Satzsymbole der Kleinen Arkana trägt. Auch orientalische Kartenspiele der damaligen Zeit verwendeten ja neben den Stäben, Kelchen, Schwertern und Scheiben, u.a. Löwen und andere Tiere als Satzsymbole. Außerdem gibt es auch heute wieder Tarots, die nicht die traditionellen Satzsymbole zeigen. Mit der Zeit hat sich dann aber wohl doch eine Art Standard herausgebildet, der erstmals in einem Deck aus Marseille erscheint. Dieser Marseiller Tarot soll bereits vor 1748 spätestens aber bis 1760 von Nicolas Conver gemalt worden sein. Er ist bis heute ein immer wieder aufgelegter Klassiker. Er ist auch der erste, der die bis heute übliche Reihenfolge der Karten zeigt. Court de Gébelin war Freimaurer und gehörte einer Freimaurerloge an, zu deren Mitgliedern so berühmte Persönlichkeiten wie Voltaire und Benjamin Franklin, der längere Zeit als amerikanischer Gesandter in Paris lebte, zählten. Das Hauptziel dieser Loge war die Wiederentdeckung alter, geheimer Lehren und das Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Alten Ägypten. Court de Gébelin war nun davon überzeugt, daß der Tarot eine solche Geheimlehre aus dem Alten Ägypten in verschlüsselter Form enthielt. Er war der Meinung, dass altägyptische Priester ihre Lehren in Bildern und Symbolen verschlüsselt hätten. Um diese Lehren zu erhalten und sie vor Uneingeweihten zu schützen, hätten sie dann diese Bilder als Spiel dargestellt. Im Laufe der Zeit ging aber der wahre Sinn dieser Bilder verloren und sie dienten ausschließlich zum Zwecke des Spiels. Alle anderen Kartenspiele sollen letztendlich aus diesem Spiel entstanden sein. Wie auch immer man zu Court de Gébelins Entdeckung stehen mag: Tatsache ist, das sie die Geburtsstunde dessen war, was wir heute als esoterischen oder okkulten Tarot bezeichnen. Im 19. Jahrhundert erreichte das Interesse am Tarot einen ersten Höhepunkt. Insbesondere drei Männer trugen maßgeblich dazu bei: Jean-Baptiste Pitois (1811 - 1877), besser bekannt unter dem Namen Paul Christian, Alphonse Louis Constant (1810 - 1875), besser bekannt unter dem Namen Éliphas Lévi und Dr. Gerard Encausse (1865 - 1916), besser bekannt als Papus. Paul Christian beschäftigte sich eingehend mit Astrologie, Tarot und Magie. Als Historiker, Journalist und Bibliograph wurde er von der französischen Regierung zum Archivar berufen und hatte dadurch auch Zugang zu Büchern, die aus alten Klosterbeständen stammten und während der Französischen Revolution im Jahre 1790 bei der Schließung französischer Klöster beschlagnahmt worden waren. Darunter sollen sich auch okkulte Schriften befunden haben. Immer wieder wurde der Verdacht laut, dass er dabei auf eine alte Schrift gestoßen sei, die mit dem Tarot zu tun haben könnte. Bewiesen wurde das jedoch nie, noch wurde ein solche Schrift bisher gefunden. In seinem Buch "Histoire de la Magie" beschreibt Christian eine religiöse Zeremonie aus dem Alten Ägypten, die in 78 Stufen eingeteilt gewesen sein soll und in einer Halle ihren Höhepunkt fand, in der die 22 Trümpfe des Tarot im Bild dargestellt gewesen sein sollen. Angeblich bezog er sein Wissen aus einem der beschlagnahmten Klosterbücher. Paul Christian veränderte die Bezeichnungen der Trümpfe in einer Art, die seiner Meinung nach wohl der ursprünglichen Bedeutung näher kam. Er war es auch, der den Begriff "Arkana" (Geheimnisse) anstelle von "Trümpfen" einführte. Wie schon Étteilla nummerierte er zudem die Karten von 1 - 78 durch, gemäß den 78 Stufen der von ihm beschriebenen altägyptischen Zeremonie. Am nachhaltigsten hat wohl Éliphas Lévi den Tarot beeinflusst. Lévi war ursprünglich katholischer Priester, wandte sich dann aber einem intensiven Studium der Magie und der Mystik zu. Er veröffentlichte mehrere Bücher über Magie. Lévi war ein Anhänger der Lehren Court de Gébelins und davon überzeugt, dass der Tarot uraltes Wissen enthalte. Wie Court de Gébelin glaubte er daran, dass der Tarot aus dem Alten Ägypten stammte. Fasziniert von alter hebräischer Mystik und der Kabbala schloss er aber auch einen Ursprung in Palästina oder zumindest einen Entwicklungsweg über Palästina nicht aus. Bereits Court de Gébelin vermutete aufgrund der Übereinstimmung der Anzahl der Tarottrümpfe mit der Anzahl der Buchstaben des hebräischen Alphabets einen möglichen Zusammenhang. Lévi beschäftigte sich nun intensiv mit den Zusammenhängen zwischen den hebräischen Buchstaben, der Kabbala und den Tarottrümpfen. Er war davon überzeugt, dass nur derjenige, der die richtige Reihenfolge der Trümpfe kennt, in der Lage wäre, ihren wahren Sinn zu begreifen. Damit hat er eine bis heute andauernde Diskussion über die richtige Reihenfolge ausgelöst. Lévi war außerdem davon überzeugt, dass der Tarot der Schlüssel zum richtigen Verständnis der Kabbala sei. Auch Papus bemühte sich um die Zusammenhänge zwischen Kabbala und Tarot. Zusätzlich stellte er Bezüge zur Alchemie her. Seiner Meinung nach lag der Ursprung des Tarot in Atlantis und war im Alten Ägypten nur weiterentwickelt worden. Zu seiner Zeit herrschte noch der Glaube vor, dass die Zigeuner aus Ägypten gekommen seien. Papus sah in ihnen daher die Überbringer des Tarot. Sein Buch "Der Tarot der Zigeuner" wird bis heute immer wieder mal aufgelegt und zählt, nicht zuletzt wegen seiner trotz allem schlüssigen Argumentation, immer noch zu den Standardwerken. Papus war ein Anhänger Éliphas Lévis. 1909 erschien sein Buch "Der Tarot der Divination" dem ein Tarot-Deck beigelegt war, welches nach seinen Anweisungen von G. Goulinat gemalt worden war und einigen Einfluss von Étteilla zeigte. Eines der wohl bedeuternsten Ereignisse in der Geschichte des Tarot, war die Gründung des Hermetischen Ordens der Goldenen Morgenröte (Hermetic Order of the Golden Dawn) im Jahre 1888. Manchmal wird auch 1885 als Gründungsjahr angegeben. Neben theoretischer und praktischer Magie und esoterischen Disziplinen wie Astrologie und Kabbala war der Tarot einer der Hauptpfeiler des Ordens und spielte bei seinen Ritualen eine wesentliche Rolle. Drei Mitglieder dieses Ordens sollten die zukünftige Tarotwelt entscheidend beeinflussen: Arthur Edward Waite (1857 - 1942) und Pamela Colman Smith (1878 - 1951) sowie Aleister Crowley (1875 - 1947). Pamela Colman Smith malte unter Anleitung von Waite den nach Waite und seinem Verleger Rider benannten Rider-Waite-Tarot und Aleister Crowley ist der geistige Schöpfer des von Frieda Harris gemalten Thoth Tarot, der manchmal auch als Crowley-Tarot bezeichnet wird. Beide Tarots sind die heutzutage weltweit bekanntesten. Als Hilfsmittel der Magie tauchte Tarot, wie viele andere Techniken in den Untergrund, weil es von der Kirche verfolgt wurde. Zu Zeiten der Inquisition und " geistigen Bevormundung " der Kirchen stellte der Umgang mit " ketzerischer " Mystik und Praktiken der Wahrsagung eine geächtete und lebensgefährliche Beschäftigung dar. So blieb die Divination (Weissagung) mit den Karten im Verborgenen und wurde von einer " Randgruppe " aufgenommen und verbreitet. Die einzigen, die Tarot nicht versteckten waren die Zigeuner. Das fahrende Volk, das sich der Beeinflussung durch die Kirche entziehen konnte, verbreitete das Kartenspiel und auch heute noch werden die Sinti in Zusammenhang mit Kartenlegen gesehen. Über die Herkunft des Tarot ist schon so einiges geschrieben und noch viel mehr spekuliert worden. Sein Ursprung wurde u.a. im alten Ägypten, in Babylon, in Arabien, in Palästina, im alten Indien, bei den Kelten oder bei den Zigeunern vermutet. Wo aber auch immer man den Ursprung vermutet oder gerne sehen möchte, es bleibt die Tatsache, dass über die Herkunft und Entstehung der Tarotkarten nichts Sicheres bekannt ist. Folgende Gründe sprechen gegen eine außereuropäische Herkunft des Tarot: 1. Tarot spiegelt die Gesellschaftsordnung des spätmittelalterlichen Europa. Zu allen anderen Gesellschaften passt er weit weniger (nur in Europa ist z.B. die Königin nach dem König die zweithöchste Person im Staat). Die großen Arkana sind ohne europäisch-christlichen Hintergrund kaum vorstellbar (Hofnarr, über dem Kaiser stehender Hohepriester, Auffassung des Todes als Person, Teufel, Jüngstes Gericht). 2. Ägyptischen Ursprungs ist Tarot bestimmt nicht, denn mit ägyptischer Weltanschauung hat Tarot nichts gemeinsam. Die ägyptischen Götter werden nicht erwähnt. 3. Indischer Einfluss kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da die Indischen Götter nicht auftauchen. 4. Die Zigeuner sind zwar Verbreiter, aber nicht Urheber des Tarot. | |